Wenn das Projekt ins Wanken gerät…
Stell dir vor, du hast dein IT- oder Transformationsprojekt bis ins Detail geplant. Alle Meilensteine sind definiert, Ressourcen eingeplant und die Ziele klar – auf dem Papier läuft alles reibungslos. Doch dann passiert das Unvorhergesehene: Ein technisches Problem taucht auf, eine Schlüsselperson fällt aus, ein Dienstleister liefert zu spät und ein wichtiger Stakeholder schickt noch spontane Änderungswünsche . Plötzlich gerät der Zeitplan ins Wanken, das Team wird nervös und der Druck auf dich als Projektleiter*in steigt . Kommt dir das bekannt vor? Du bist damit nicht allein – Projektkrisen sind keine Ausnahme. Laut einer Studie scheitern rund 24 % aller IT-Projekte komplett oder laufen ins Leere . Entscheidend ist jetzt: Wie reagierst du, wenn der ursprüngliche Plan nicht mehr greift?
In diesem Artikel schauen wir uns typische Ursachen an, warum Projekte in die Krise geraten – von Scope Creep über Ressourcenprobleme bis zu Kommunikationskonflikten und technischen Stolpersteinen. Vor allem aber geht es um pragmatische Auswege: Wie kannst du das Ruder herumreißen? Wie justierst du Ziele neu, setzt Prioritäten anders, holst die Stakeholder wieder ins Boot („Stakeholder-Reset“) oder wechselst sogar die Methodik (z.B. von klassisch auf agil), ohne das Projekt gleich aus der Hand zu geben? Lies weiter, um zu erfahren, wie du als erfahrener Projektleiterin in Krisen handlungsfähig bleibst – lösungsorientiert, ruhig und glaubwürdig, ganz ohne Buzzword-Bingo.
Warum der Plan scheitert: Typische Krisenursachen
Bevor wir zu den Lösungsstrategien kommen, lohnt ein Blick auf die Ursachen. Warum funktionieren selbst sorgfältige Projektpläne manchmal nicht? Hier einige der häufigsten Problemfelder, die Projekte ins Straucheln bringen:
Scope Creep – schleichende Ausweitung des Projektumfangs
Eine häufige Ursache für Projektkrisen ist Scope Creep, also das unkontrollierte Ausweiten des Projektumfangs durch stetig neue Anforderungen. Anfangs kleine Änderungen summieren sich, bis Aufwand, Kosten und Zeitrahmen explodieren. Scope Creep bleibt oft lange unbemerkt, wirkt aber verheerend: Er gilt als eine der Hauptursachen für Terminüberschreitungen und gescheiterte Projekte . In einer PMI-Umfrage 2021 gaben 34 % der Befragten an, dass Projekte in ihrem Unternehmen im letzten Jahr von Scope Creep betroffen waren . Kein Wunder fördert Scope Creep Projektrisiken wie Verzögerungen, Ressourcenknappheit und Budgetüberschreitungen – der ursprüngliche Plan wird damit schnell obsolet. Oft entsteht Scope Creep durch unklare Anforderungen, ständige Änderungswünsche oder interne Fehlkommunikation . Das Ergebnis: Der Projektumfang wächst und wächst, während Zeit und Budget gleich bleiben. Irgendwann passt der Plan nicht mehr zur Realität.
Ressourcenprobleme – wenn Personal, Zeit oder Budget knapp werden
Projekte können auch scheitern, weil wichtige Ressourcen fehlen oder wegfallen. Vielleicht waren von Beginn an nicht genug Leute mit den richtigen Skills eingeplant, oder unerwartete Ereignisse ziehen Ressourcen ab. Budgetkürzungen, zusätzliche Aufgaben für Teammitglieder in anderen Projekten oder Krankheitsausfälle können ebenfalls dazu führen, dass das Projekt unterbesetzt ist. Die Folge: Aufgaben bleiben liegen, Deadlines wackeln. Ressourcen sind das A und O jedes Projekts; ein Mangel an Ressourcen kann ein Projekt verzögern oder sogar ganz zum Stillstand bringen . Das bestätigen auch Erfahrungswerte: Wenn Mitarbeiter auf zu viele Projekte verteilt sind oder parallel zum Projekt ihre normalen Aufgaben erledigen müssen, leidet die Verfügbarkeit. Diese Fünfzig-Prozent-Lüge – zu glauben, jemand könne ein Projekt „nebenbei“ mit halber Kapazität stemmen – fliegt früher oder später auf . Kurz gesagt: Ohne ausreichende Zeit, genug Leute und genügend Budget gerät der schönste Plan ins Rutschen.
Kommunikationsprobleme und Konflikte im Team
Selbst mit klarem Scope und ausreichenden Ressourcen kann ein Projekt in die Krise schlittern, wenn die Kommunikation hakt. Mangelhafte Kommunikation innerhalb des Projektteams oder zwischen Team und Management ist einer der Hauptgründe, warum Projekte scheitern . Das zeigt sich zum Beispiel, wenn Informationen verloren gehen, weil unklar ist, wer was an wen meldet. In stressigen Projektsituationen reden oft alle durcheinander – oder gar nicht mehr miteinander. Konflikte im Team oder zwischen Fachabteilungen können zusätzlich die Zusammenarbeit lähmen. Auch fehlende Abstimmung mit dem Kunden oder Auftraggeber fällt in diese Kategorie: Wenn wichtige Neuigkeiten die Stakeholder nicht rechtzeitig erreichen, entstehen Überraschungen und Vertrauensbruch. Eine solche Kommunikationskrise führt schnell zu Missverständnissen, Doppelarbeit und Fehlentscheidungen. Bitrix24 nennt schlechte Kommunikation sogar explizit als Warnzeichen für ein scheiterndes Projekt . Kurzum, ohne klaren Informationsfluss und gutes Konfliktmanagement steht der Projektplan auf wackeligem Fundament.
Technisches Scheitern – Tools, Technik oder externe Faktoren
Manchmal liegt der Engpass auch in der Technik selbst: Unerwartete technische Probleme oder die falsche Wahl von Tools und Systemen können einen Plan über den Haufen werfen. Gerade in IT-Projekten zeigt sich oft erst im Verlauf, dass eine Schnittstelle nicht kompatibel ist, eine Software nicht stabil läuft oder ein externes System nicht wie erwartet funktioniert. Projekte scheitern auch gerne, weil auf die falschen Tools – und damit schlechte technische Voraussetzungen – gesetzt wird . Wenn zum Beispiel eine Projektmanagement-Software nicht ausreichend unterstützt oder eine neue Technologie im Einsatz unausgereift ist, gerät das Projekt in Schwierigkeiten. Häufig werden solche technischen Stolpersteine spät erkannt. Dann gilt es umso mehr, rasch gegenzusteuern: „Leider gibt es auch Projekte, bei denen Sie erst spät merken, dass die eingesetzten Tools nicht die gewünschten Ergebnisse bringen… Dann liegt es an Ihnen, dies zu erkennen, zu reagieren und unnötige Kosten und Ressourcen zu vermeiden.“ Dieser Rat aus einem Management-Leitfaden unterstreicht: Technisches Scheitern muss kein Todesurteil fürs Projekt sein – aber man darf nicht die Augen davor verschließen. Wer Probleme in Architektur, Tools oder externen Schnittstellen ignoriert, wird vom Plan abweichen müssen. Hier zahlt sich gutes Risikomanagement aus – doch wenn das versäumt wurde, steht man in der Krise vor harten technischen Entscheidungen.
Unrealistische Planung – Ziele und Annahmen jenseits der Realität
Nicht zuletzt scheitern Pläne schlicht daran, dass sie von Anfang an unrealistisch waren. Zu optimistische Zeitpläne, utopische Zielvorgaben oder ein unterschätzter Arbeitsumfang rächen sich früher oder später. Anfangs will man es allen recht machen – ambitionierte Ziele treiben an, aber wenn sie unerreichbar sind, erzeugt das nur Frust. Zu ehrgeizige Ziele können den Projektverlauf ungünstig beeinflussen; laut dem „Bericht zur Anatomie der Arbeit“ 2021 sind unrealistische Erwartungen die häufigste Ursache für nicht eingehaltene Fristen . Mit anderen Worten: Wenn dein Plan keine Puffer enthält und keinerlei Änderungen oder Probleme einkalkuliert, ist er zum Scheitern verurteilt, sobald die Realität zuschlägt. Auch mangelnde klare Ziele zu Projektstart gehören hierher – wenn nicht alle das gleiche Zielbild haben, verzettelt sich das Projekt auf dem Weg. Unklare oder unerreichbare Ziele, fehlendes Risikobewusstsein und Schönfärberei bei der Planung – das alles kann dazu führen, dass ein Projekt an der eigenen Planung scheitert. Die Krise kommt dann oft nicht aus heiterem Himmel, sondern war eingebaut. Wichtig: Schieflagen offen zugeben. Projektscheitern ist kein persönliches Versagen, solange man daraus lernt – viel schlimmer ist es, aus Scham vor dem Scheitern zu lange an einem wackligen Plan festzuhalten.
(Natürlich können mehrere dieser Ursachen zusammenkommen – etwa Scope Creep und Ressourcenprobleme durch Personalausfall – was die Krise verschärft. Aber keine Sorge: Es gibt Wege da wieder heraus.)
Auswege aus der Projektkrise: Pragmatiche Lösungsansätze
Steckt dein Projekt in Schwierigkeiten, gilt vor allem eins: Keine Panik! Auch wenn der ursprüngliche Plan Makulatur ist, kannst du als Projektleiter*in viel tun, bevor du kapitulieren oder das Projekt abgeben musst. Erfahrene Projektmanager wissen: Krisen lassen sich managen. Hier sind konkrete Ansätze, wie du Schritt für Schritt wieder Handlungsfähigkeit gewinnst.
1. Ruhe bewahren und Lage analysieren
Der erste Reflex in der Krise sollte nicht Aktionismus sein, sondern Analyse. Nimm dir bewusst einen Moment, um durchzuatmen und den Ist-Zustand zu erfassen. Frage dich: Wo liegen aktuell die größten Blockaden? Welche Probleme gefährden das Projekt am meisten? Schreibe alle aktuellen Hürden und Risiken auf. Viele Experten empfehlen einen Mini-Krisenmanagement-Plan: Eine simple Liste oder Tabelle der Hauptprobleme mit passenden Gegenmaßnahmen und Verantwortlichkeiten . Beispielsweise: “Schlüsselressource ausgefallen” → mögliche Maßnahme: externe Vertretung organisieren; Verantwortlich: Teamleiter”. Oder “wichtiger Kunde wünscht neue Features” → Maßnahme: Auswirkungen analysieren und Change Request mit Lenkungskreis klären; Verantwortlich: Projektleiter & Sponsor”. So ein Mini-Plan hilft dir, strukturierter vorzugehen. Du erkennst auf einen Blick, was die dringendsten Baustellen sind, welche Lösungen es geben könnte und wer Entscheidungen treffen muss . Diese Vorbereitung ist Gold wert, denn sie bildet die Grundlage für alle weiteren Schritte.
Warum Analyse? In der Hektik einer Krise verliert man leicht den Überblick – daher: Stopp, sammeln, sortieren. Vielleicht stellst du fest, dass nicht alles brennt, sondern nur bestimmte Bereiche. Konzentriere dich auf die kritischsten Punkte (die echten „Showstopper“). Indem du die Lage klar benennst, übernimmst du wieder das Steuer: Du agierst, statt nur auf Probleme zu reagieren. Und keine Sorge, diese Analyse muss kein Wochenprojekt sein – oft reichen schon 30 Minuten fokussiertes Nachdenken, um die wichtigsten Engpässe und Handlungsoptionen zu skizzieren . Wichtig ist, dass du danach weißt, womit du es zu tun hast. So eine Bestandsaufnahme verschafft dir zugleich Ruhe und Klarheit – genau das, was du jetzt brauchst.
2. Offen kommunizieren – Stakeholder-Reset durch Transparenz
Hast du die Probleme identifiziert, scheue dich nicht, die Realität offen anzusprechen – gegenüber deinem Team, vor allem aber gegenüber Sponsoren, Kunden und anderen Stakeholdern. Jetzt ist ehrliche und transparente Kommunikation wichtiger denn je . Natürlich hört kein Auftraggeber gern, dass sein Projekt in Verzug ist. Aber eine frühzeitige Warnung ist immer noch besser als späteres Erwachen mit vollendeten Tatsachen . Mach also einen Stakeholder-Reset: Setze alle Beteiligten ins Bild über die aktuelle Lage. Nutze deinen strukturierten Mini-Krisenplan als Grundlage, um die Situation sachlich zu erklären . Bleib lösungsorientiert dabei: Präsentiere nicht nur Probleme, sondern auch deine ersten Ideen, wie man sie lösen könnte. Das zeigt, dass du die Kontrolle über die Lage behältst.
Wichtig in dieser Phase: Schaffe Klarheit über den Entscheidungsbedarf. Formuliere deutlich, welche Entscheidungen oder Zugeständnisse jetzt von den Stakeholdern gebraucht werden, um das Projekt zu retten . Beispielsweise: “Wir müssen entscheiden, welche Funktionswünsche wir streichen, sonst schaffen wir den Termin X nicht.” oder “Ohne zusätzliches Budget für einen externen Entwickler kann Feature Y nicht rechtzeitig fertig werden.” So bringst du Auftraggeber oder Lenkungsausschuss in die Pflicht, aktiv an der Lösung mitzuwirken. Falls nötig, verdeutliche die Konsequenzen des Nichthandelns: “Wenn wir bis nächste Woche keine Entscheidung zum Budget bekommen, verschiebt sich der nächste Meilenstein um drei Wochen.” Solche Aussagen – höflich aber bestimmt – schaffen Dringlichkeit .
Ein Stakeholder-Reset bedeutet auch, auf konstruktive Weise einen Neuanfang im Miteinander zu wagen. Vielleicht gab es Misstrauen oder Frust aufgrund der Schieflage – durch offene Kommunikation kannst du Vertrauen zurückgewinnen. Zeige, dass du keine Ausreden suchst, sondern Lösungen. Und ganz praktisch: Vereinbare mit den Stakeholdern, wie ihr ab jetzt kommuniziert – z.B. wöchentliche Status-Updates oder kurzfristige Abstimmungsmeetings in der heißen Phase. So bleiben alle am Ball. Denk daran: Überraschungen liebt niemand im Projektgeschäft. Offenheit schafft dagegen oft sogar Goodwill, weil Probleme so früh adressiert werden können, statt später teure Schäden zu verursachen.
3. Prioritäten neu setzen – Fokus auf das Wesentliche
In der Krise ist alles gleichzeitig wichtig – zumindest fühlt es sich so an. Deshalb ist der nächste Schritt: Entscheide, was jetzt wirklich Priorität hat. Nach der Lageklärung muss der ursprüngliche Plan vermutlich angepasst werden. Frage dich: Welche Ziele oder Features sind essentiell und welche können notfalls verschoben, vereinfacht oder ganz weggelassen werden? Mit anderen Worten, entkopple das Notwendige vom Wünschenswerten. Diese Re-Priorisierung hilft, das Projekt wieder handhabbar zu machen.
Gehe dabei strategisch vor. Schaue zuerst: Was kannst du selbst innerhalb deines Verantwortungsbereichs priorisieren oder ändern? Zum Beispiel könntest du die Team-Ressourcen intern neu verteilen: Vielleicht ziehen alle erstmal an ein oder zwei kritischen Aufgaben, andere To-dos werden pausiert. Oder ihr entscheidet im Team, bestimmte Anforderungen zunächst in kleinerer Form umzusetzen (z.B. ein einfacheres technisches Provisorium), um Fortschritt zu erzielen. Ziel ist, mit den vorhandenen Mitteln den maximalen Nutzen zu erreichen. Nutze die Expertise deines Teams: Was halten sie für die dringendsten Aufgaben? Wo sehen sie Einsparpotenzial? Oft wissen die Leute an der Front ziemlich gut, welche Arbeiten wirklich viel Impact haben und welche weniger.
Dann gibt es Bereiche, die du nicht allein umpriorisieren kannst, weil andere darüber entscheiden . Typischerweise betrifft das Projektziele, Lieferumfang oder Budget – also Dinge, die der Kunde oder Lenkungskreis freigeben muss . Hier ist dein Job, wie oben erwähnt, die Auswirkungen der Krise transparent zu machen und konkrete Vorschläge zu liefern . Vielleicht empfiehlst du, den Go-Live um einen Monat zu verschieben, um inhaltlich alles Wichtige zu schaffen. Oder du schlägst vor, bestimmte Nice-to-have-Funktionen ins nächste Release zu schieben, damit der Kern pünktlich fertig wird. Hol dir aktiv Entscheidungen ein: “Können wir uns darauf einigen, Feature Z erst in Phase 2 umzusetzen, um jetzt den Fokus auf X und Y zu legen?” – solche Fragen an den Auftraggeber helfen, die Prioritäten neu zu justieren. Oft sind Stakeholder in der Krise bereit, Konzessionen zu machen – sie wollen schließlich auch, dass das Projekt erfolgreich ist. Wichtig ist, dass du die Diskussion führst und Weichenstellungen einforderst, anstatt stillschweigend zu versuchen, mit dem alten Plan weiterzuwursteln.
Merke: Weniger ist mehr in einer Krise. Lieber einige Kernziele sehr gut erreichen, als alles halb und nichts ganz. Diese Fokussierung kann dein Projekt retten. Sie erfordert Mut zur Lücke und klare Kommunikation nach oben, zahlt sich aber aus. Die Erfahrung zeigt: Projekte scheitern selten daran, dass zu wenig geliefert wurde, sondern daran, dass man zu viel wollte und schließlich nichts richtig fertig wurde. Insofern ist das Neupriorisieren ein Befreiungsschlag – weg von der Überfrachtung, hin zur Machbarkeit.
4. Projektziel und Strategie neu ausrichten
Eine fortgeschrittene Maßnahme – falls nötig – ist die Neuausrichtung des Projekts. Das bedeutet, die ursprünglichen Zielsetzungen und ggf. die Strategie grundsätzlich zu hinterfragen und anzupassen. In der Projektsanierung spricht man davon, die Projektziele nach einer Stabilisierung neu zu definieren, den Umfang anzupassen und realistische Ziele zu setzen . Praktisch heißt das: Setze dich (nach Absprache mit Sponsor/Kunde) hin und formuliere das Ziel des Projekts neu, basierend auf den Erkenntnissen aus der Krise. Möglicherweise hat sich das Umfeld geändert oder die Prioritäten des Business – dann macht es Sinn, das Projekt auf diese neue Realität auszurichten.
Beispiel: Wenn ursprünglich ein großes Gesamtpaket geliefert werden sollte, könnte die Neuausrichtung bedeuten, ein Minimalziel zu definieren, das auf jeden Fall erreicht werden soll (das berühmte Minimum Viable Product), und alles Weitere als optional oder nachgelagert zu behandeln. Oder die Vision bleibt gleich, aber der Weg dahin wird geändert – vielleicht wird aus einem großen Wurf eine Etappenumsetzung in mehreren kleineren Projekten. Wichtig ist, dass das Projekt nach der Neuausrichtung wieder Ziele hat, die erreichbar und messbar sind , sodass Erfolg überhaupt wieder möglich wird. Kein Team der Welt kann motiviert an etwas arbeiten, das objektiv chancenlos ist. Durch neue, angepasste Ziele gibst du allen wieder ein Licht am Ende des Tunnels.
Zur Neuausrichtung gehört auch, Lessons Learned aus der bisherigen Krise einfließen zu lassen: Was würden wir ab jetzt anders machen? Vielleicht müssen Prozesse geändert werden (z.B. stärkere Qualitätskontrollen einführen, wenn technische Fehler die Krise ausgelöst haben). Oder Teamstrukturen werden angepasst (vielleicht braucht es doch einen dedizierten Architekten oder mehr Entwicklerpower). Solche Anpassungen sind Teil der Neuausrichtung. Es kann sogar bedeuten, dass du die Projektorganisation veränderst – etwa Rollen neu zuschneidest, wenn bisher Verantwortungslücken bestanden. All das sollte natürlich mit Zustimmung der Auftraggeber geschehen, aber gehe ruhig proaktiv mit Vorschlägen voran. In der Krise sind Stakeholder oft offen für Veränderungen, solange diese das Projekt retten können.
Denke an das Motto: „Wenn das ursprüngliche Pferd lahmt, steige ich ab und suche mir ein anderes.“ – Übersetzt ins Projektmanagement: Hab den Mut, deinen Plan grundlegend zu ändern, statt an etwas festzuhalten, das offensichtlich nicht mehr funktioniert. Eine solche Neuausrichtung ist kein Scheitern, sondern im Gegenteil ein Zeichen von Professionalität – du tust das, was nötig ist, um doch noch ans Ziel zu kommen.
5. Methodik anpassen – von Wasserfall zu Agil (oder hybrid)
Manchmal liegt die Wurzel der Krise auch in der gewählten Projektvorgehensweise. Ein ehemals streng linear geplantes (klassisches) Projekt kann z.B. in Schwierigkeiten geraten, weil die Anforderungen sich unterwegs geändert haben – etwas, womit agile Methoden besser umgehen könnten. In so einer Situation darfst du durchaus erwägen, methodisch die Kurve zu kriegen: Von „Plan stur einhalten“ hin zu agilerem Vorgehen, oder insgesamt zu einem hybriden Projektansatz. Natürlich ist ein vollständiger Methodenwechsel mitten im Projekt eine große Sache – “mitten in der Krise die Pferde wechseln” will wohlüberlegt sein. Aber du kannst durchaus agile Elemente einführen, ohne gleich alles auf den Kopf zu stellen.
Beispielsweise könntet ihr beginnen, in kurzen Iterationen zu arbeiten und regelmäßig (wöchentlich) den Plan zu überprüfen und anzupassen, anstatt einen weit im Voraus fixierten Gantt-Chart zu erzwingen. Oder du führst Zwischenlieferungen ein: Liefert funktionsfähige Teilprodukte früher aus, um Feedback zu bekommen und nötigenfalls Kurskorrekturen vorzunehmen. Agile Prinzipien wie häufige Abstimmung mit dem Kunden, flexible Anforderungshandhabung und fokussierte Sprints können enorm helfen, wenn der ursprüngliche Wasserfall-Plan zerbrochen ist. Sie geben dem Team mehr Beweglichkeit und der Leitung häufiger Einblick in den Fortschritt, sodass böse Überraschungen reduziert werden.
In manchen Fällen kann es auch sinnvoll sein, externe agile Experten hinzuzuziehen – etwa einen Scrum Master oder Agile Coach – um diese Umstellung zu moderieren. Das ist kein Eingeständnis von Schwäche, sondern ein pragmatischer Schritt, um dem Projekt neue Methodenkompetenz zuzuführen. Wichtig ist, alle Beteiligten mitzunehmen: Erkläre deinem Team und den Stakeholdern, warum du bestimmte Elemente im Vorgehen ändern möchtest (z.B. weil bisherige Planungsart nicht mehr passt) und welche Vorteile das bringt. Viele werden es verstehen – Agilität in der Krise hat schon oft Projekte gerettet. Eine Untersuchung beschreibt, dass bei der Rettung von IT-Projekten häufig der Projektumfang reduziert oder agile Methoden eingeführt werden, um flexibler auf Änderungen zu reagieren . Genau diese Kombination – Entrümpelung des Scopes und anpassungsfähigere Methodik – kann dein Projekt wieder flottmachen.
Natürlich musst du nicht gleich Scrum in Reinform einführen, wenn das niemand gewohnt ist. Hybrid ist oft ein guter Weg: Bewahre sinnvolle Teile des bisherigen Vorgehens (z.B. klar definierte Meilensteine, wenn die Organisation das verlangt), aber integriere agile Arbeitsweisen da, wo sie helfen (z.B. Daily Stand-ups für bessere Kommunikation, Kanban-Boards für Transparenz, iterative Entwicklunsgzyklen für schnellere Teilergebnisse). Entscheidend ist, dass die Methodik dem Projekt dient – und nicht umgekehrt. Wenn der alte Plan nicht greift, ist es kein Sakrileg, auch methodisch umzudenken. Im Gegenteil: Ein flexibler Mindset im Projektmanagement ist heute mehr denn je gefragt, gerade in Krisenzeiten . Wichtig: Stimme einen solchen Wechsel oder die Einführung agiler Practices eng mit dem Auftraggeber ab, damit alle verstehen, warum du das tust und was sich ändern wird.
Durch eine angepasste Methodik erhöhst du die Chancen, trotz aller Widrigkeiten doch noch die Kurve zu kriegen. Du schaffst Räume, um auf Änderungen einzugehen, statt vom ursprünglichen Plan erdrückt zu werden. Das Team wird es dir danken, wenn es statt unerfüllbarer Vorgaben klar priorisierte Zwischenziele bekommt. Und dein Projektsponsor wird am Ende lieber einen etwas anders gemanagten Projekterfolg sehen als ein starr geführtes Scheitern.
6. Unterstützung holen, aber verantwortlich bleiben
Ein wichtiger Punkt zum Schluss: Scheue dich nicht, Hilfe anzunehmen, aber gib nicht vorschnell die Zügel ab. In einer akuten Krise kann der Blick von außen enorm wertvoll sein. Das kann bedeuten, dass du dir intern Rat von erfahrenen Kolleg*innen holst oder einen externen Berater zurate ziehst, der schon ähnliche Projekte gerettet hat. Manchmal hilft ein Interim-Projektleiter oder Coach temporär, um festgefahrene Strukturen aufzubrechen – ohne dass du das Projekt komplett abgeben musst. Es geht nicht darum, die Verantwortung von dir zu schieben, sondern Impulse von außen zu nutzen, um selber wieder handlungsfähig zu werden. Ein erfahrener Externer sieht oft blinde Flecken oder kann zwischen verhärteten Fronten vermitteln, was dir als Projektleiter, der mitten drin steckt, schwerfallen könnte.
Wichtig ist jedoch: Bleibe Kapitän deines Schiffes. Du kennst dein Projekt am besten. Wenn du externe Unterstützung nutzt, dann idealerweise um gemeinsam die Krise zu bewältigen – du behältst die Steuerung, der Experte liefert Expertise oder entlastet dich in bestimmten Aufgaben. So lernst du auch selbst dabei. Viele erfolgreiche Projektleiter*innen berichten, dass sie in Krisenphasen gewachsen sind, weil sie sich Hilfe suchten, aber am Ende die Lösungen mitgetragen und umgesetzt haben. Es ist absolut kein Makel, in einer schweren Projektkrise einen Kollegen um Rat zu fragen oder einen Spezialisten hinzuzuziehen. Im Gegenteil, es zeugt von Professionalität und Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Projekterfolg.
Zusammengefasst: Du musst die Krise nicht allein schultern, aber du solltest sie anführen. Bleibe der/ diejenige, der den Kurs vorgibt – indem du alle verfügbaren Ressourcen (Team, Stakeholder, Experten) mobilisierst, um das Projekt doch noch auf Kurs zu bringen. Dadurch behältst du auch gegenüber dem Management die Hoheit über dein Projekt und zeigst, dass du trotz externer Hilfe die Lage im Griff hast.
Fazit: Aus der Krise lernen und gestärkt hervorgehen
Projektkrisen sind fordernd und oft nervenaufreibend – doch sie bedeuten nicht zwangsläufig das Ende. Wichtig ist, wie du darauf reagierst. Wenn der Plan nicht mehr greift, heißt es für dich als Projektleiter*in: ruhig bleiben, Ursachen ehrlich analysieren und dann entschlossen handeln. Scope Creep, Ressourcenengpässe, Kommunikationsprobleme oder Technikdramen – all das lässt sich meistern, wenn du offen damit umgehst und die richtigen Stellschrauben drehst. Hol die Stakeholder ins Boot, richte dein Projekt neu aus, fokussiere auf das Machbare und passe notfalls die Methodik an – das sind keine Zeichen von Schwäche, sondern von Anpassungsfähigkeit und Führungsstärke.
Die Krise ist auch eine Chance: Dein Projekt kann am Ende trotz Planabweichung erfolgreich sein, vielleicht sogar erfolgreicher als der ursprüngliche Plan es vorgesehen hat – weil du durch die Krise gelernt hast, was wirklich wichtig ist. Und selbst wenn am Ende gewisse Abstriche gemacht werden mussten, werden Stakeholder verzeihen, wenn das Vorgehen transparent und begründet war. Denk daran: „Meistens liegt es an den Menschen, wenn ein Projekt den Bach runtergeht“ , hat ein Projektcoach einmal gesagt – und genauso liegen die Lösungen in den Menschen. Mit klarem Kopf, guter Kommunikation und Teamwork kannst du der entscheidende Faktor sein, der das Projekt vom Abgrund zurückholt.
Bleib also handlungsfähig und proaktiv. Übergib nicht vorschnell an Dritte, sondern nutze erst alle Hebel, die dir als erfahrener Projektleiterin zur Verfügung stehen. Jede Krise geht irgendwann vorbei – und mit den oben genannten Schritten sorgst du dafür, dass dein Projekt diese übersteht und du selbst daran wächst. Projektmanagement in der Krise heißt vor allem: kühlen Kopf bewahren, Führung übernehmen und Schritt für Schritt zurück zum Erfolg navigieren. Du schaffst das!
Quellen: Die obigen Erkenntnisse und Tipps stützen sich auf aktuelle Fachbeiträge und Studien, u.a. zu häufigen Projektfehlern und bewährten Krisenmaßnahmen . Diese zeigen, dass ein strukturiertes Vorgehen – von Analyse über Kommunikation bis zur Neuausrichtung – der Schlüssel ist, um Projekte auch in schwierigen Phasen wieder flott zu machen. Viel Erfolg beim Anwenden dieser Strategien in der Praxis!
Bitrix24 – Projektmanagement: 10 Anzeichen, dass Ihr Projekt scheitern wird
https://www.bitrix24.de/articles/projektmanagement-10-anzeichen-dass-ihr-projekt-scheitern-wird.php
Haufe – Projektkrise meistern: Diese Sofortmaßnahmen helfen
https://www.haufe.de/projektmanagement/projektkrise-meistern-diese-sofortmassnahmen-helfen_80_511404.html
Harvard Business Review – How to Manage Scope Creep
https://hbr.org/2021/07/how-to-manage-scope-creep
McKinsey – Why do most transformations fail?
https://www.mckinsey.com/capabilities/people-and-organizational-performance/our-insights/why-do-most-transformations-fail
PMI – Pulse of the Profession 2021
https://www.pmi.org/learning/library/pulse-of-the-profession-2021-13299
Project Management Institute – PMBOK® Guide – 7th Edition
https://www.pmi.org/pmbok-guide-standards/foundational/pmbok
Stack Overflow Blog – When your project is in trouble: Stop, reset, and reprioritize
https://stackoverflow.blog/2021/10/18/when-your-project-is-in-trouble-stop-reset-and-reprioritize/
t2informatik – Scope Creep – der schleichende Tod von Projekten
https://t2informatik.de/wissen-kompakt/scope-creep/
ThoughtWorks – Hybrid Agile Delivery in Complex Environments
https://www.thoughtworks.com/en-us/insights/blog/hybrid-agile-delivery-in-complex-environments
ZDNet – Why IT Projects Fail
https://www.zdnet.com/article/why-it-projects-fail/